KUNST
Kunst ist essentiell für jede Gesellschaft. Für den Ausgleich des Alltags, für den Alltag selbst. Mit seiner eigenen Kunst-Sektion leistet das VËRYL Festival seinen Beitrag zur Sichtbarkeit einer jungen, aufstrebenden Kunst-Szene und aktuellen Diskursen. 2024 zeigt das VËRYL Festival eine physische Einzelausstellung des Künstlers Johannes Kiel sowie eine virtuelle Ausstellung mit dem Titel "Informatively Formative" mit den teilnehmenden Künstlerinnen: Jacqueline Hen, Marta Vovk, Banz & Bowinkel, Julia Beliaeva, Manja Ebert, Victoria Pidust. Die virtuelle Ausstellung wird vor Ort über eine VR-Brille begehbar sein. Zuletzt wurde "Informative Formative" im Rahmen des Forward Festivals 2023 im HKW - Haus der Kulturen der Welt gezeigt.
history:
Für alle, die in der Vergangenheit nicht dabei waren, hier eine Auswahl der Artists aus den letzten Jahren.
Johannes Kiel: "Kinetische Operatoren" (2023), Detailaufnahmen
Für das erste VËRYL FESTIVAL für elektronische Musik und medienbasierte Kunst erschafft der Mixed Media Künstler Johannes Kiel (*1995) eine ortsspezifische Konstellation seiner “Kinetischen Operatoren” und weiterer neuer Werke. Seine Maschinen plant, entwirft und konstruiert Kiel von der technischen Skizze, über modulare 3D-gedruckte Bauelemente bis hin zur fertigen Installation vollumfänglich selbst. Teil seiner computerbasierten Multimedia-Installation ist deshalb auch das Werk “Dendrit” - ein selbstgebauter Router, der die Werke autonom mit einem WLAN-Netz versorgt. Der Medienkünstler entwickelte seine Arbeitsweise ursprünglich aus der Malerei kommend. Daher gehören hyperrealistische Zeichnungen und handwerkliche Umsetzung ebenso zu seinem Repertoire wie Codierung und Entwicklung. Kiels “Kinetische Operatoren” ähneln auf den ersten Blick den mikroskopischen Bildern von Viren. Diese technoiden Figuren messen und visualisieren - durch die Informationen von “Dendrit” versorgt - Datenströme an globalen Knotenpunkten: z.B. Singapur, New York, Frankfurt am Main. Die Intensität dieser Datenströme wird für Sinneswahrnehmungen übersetzt in akustische oder visuelle Signale. Die Ausstellung im Rahmen des V beschäftigt sich vorrangig mit dem Konzept der Emergenz.
Johannes Kiel studierte bei Schirin Kretschmann und Olaf Nicolai an der Akademie der Bildenden Künste in München sowie bei Carsten Nicolai an der HfBK in Dresden. Derzeit studiert er bei Hito Steyerl sowie an der Staatlichen Universität der Künste in Karlsruhe. Der Mixed Media Künstler stellte bereits in Dresden, Leipzig, Berlin, München, Köln, Rom, Minsk sowie im Europäischen Parlament aus. Zuletzt wurde sein Werk von der Sammlung der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen angekauft.
Artist Statement zum Konzept "Emergenz"
“Emergenz bezeichnet die Herausbildung neuer Eigenschaften eines Systems infolge des Zusammenspiels seiner Elemente. Beispielsweise verfügen Ameisenstämme durch simple Verhaltensregeln der Individuen über komplexe Überlebensstrategien. Auch neuronale Funktionen sind mit dem Begriff der Emergenz zu beschreiben. Ein Neuron kann Signale erhalten und sie weitergeben. Es ist aber nicht dazu in der Lage, das Denken, an dem es selbst beteiligt ist, zu begreifen. So ist der Begriff ‚Denken‘ emergent.Seit der Entstehung des Internets — dem kognitiven Globus — ist der Mensch an einer weiteren Metaebene der Emergenz beteiligt: Nun ist das Individuum zur Zelle eines global biosynthetischen Organismus geworden.Die Ausstellung “Tbit/s” besteht aus mehreren interdisziplinären Installationen (Mechanik/Maschinenbau, Elektronik und Software), basierend auf globalem Internetverkehr. Immaterielle Schwärme verändern ihr verhalten in Abhängigkeit von Datenpaketen. Menschlich physische Interaktion wird mittels WLAN tranferierbar. Körperlichkeit wird durch ein 3D-gedrucktes Modularsystem und Sensorik technologisch erweiterbar und amorph.Es stellt sich die Frage nach der Rolle des Individuums und der Zwischenmenschlichkeit in einer sich verselbstständigen globalen Vernetzung.”
Ausstellungsansicht "Informatively Formative", hier vor einem Werk von Victoria Pidust
In Zusammenarbeit mit dem in Mailand gegründeten Magazin und Kreativstudio COEVAL und der Architektin Priscilla Oliveros entstand mit “Informatively Formative” eine Ausstellungsarchitketur mit Werken von Künstler:innen, die den paradigmatischen Wandel von klassischen Gattungen durch neue Technologien und Medien hinterfragen, untersuchen und vorantreiben: Banz&Bowinkel, Julia Beliaeva, Manja Ebert, Jacqueline Hen,Marta Vovk und Victoria Pidust.
Mit der Ausstellung “Informatively Formative” versammelt der Kurator Marcus Boxler zeitgenössische Positionen von Künstler:innen, die qua ihrer Ausbildung klassischen Gattungen zugehörig sind, jedoch mittels Medien und Technologien, die ihre Gegenwart prägen, diese Gattungsgrenzen sprengen und sie in jene Umgebungen übersetzen oder sich durch jene Mittel transformieren: Beispielsweise absolvierte Marta Vovk ihre Ausbildung bei Daniel Richter und als Meisterschülerin von Friederike Feldmann im Bereich der Malerei, bedient sich gleichzeitig zeitgenössischer Mittel der Bildmanipulation und Informationsgenese für ihre kapitalismuskritischen Malereien und Acryl-Wandreliefs. Julia Beliaeva genoss ihre Ausbildung an der Mykahilo Boichuk Kyiv State Academy of Decorative-Applied Arts and Design mit einem Schwerpunkt auf Bildhauerei und wendet 3D-Modellierung, 3D-Scanning, 3D-Druck und virtuelle Realität auf diese klassische Gattung an.
Präsentiert werden die Werke in einer virtuellen Umgebung, die mit der Unterstützung des Coeval Magazine und in Kollaboration mit der Architektin Priscilla Oliveros auf der Plattform www.spatial.io realisiert wurde. Ausgehend von der Fragestellung, wie sich Materialität und Objekthaftigkeit von zeitgenössischen Kunstwerken in eine digitale Umgebung transformieren lassen, werden verwandte Diskurse angeregt, die in Bezug stehen zu Landschaft, Klima, Ökologie und Nachhaltigkeit. Sie implizieren Fragen, die Kunst zu ihrer ökologischen Verantwortung untersuchen: In welcher Beziehung stehen Werke, ihre Materialien und ihre Produktionsbedingungen? Inwieweit sind Künstlerinnen und Künstler Spiegel ihrer materiellen Umgebung und wie wirkt sich das auf ihre Werke aus? All diese Überlegungen flossen in die Konzeption der virtuellen Ausstellungsumgebung ein. Oliveros beschreibt den Ausstellungsort als “abstrakt imaginiert, eine junge Landschaft, die sich in einer neuen Sonne formt”. Zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler wird gerne das Bild zugeschrieben, wie Seismographen für ihre Gegenwart ihre Gegenwart zu sein. Oliveros geht für den virtuellen Ausstellungsort einen Schritt weiter und beschreibt ihn als “solar-betrieben” durch die Werke der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler.